Freibetrag für das Kind eines zivilrechtlich als verstorben geltenden Elternteils

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass ein Enkelkind im Falle eines Erbverzichts des Elternteils gegenüber dem Erblasser nicht den höheren Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG für „Kinder verstorbener Kinder“ (400.000 EUR) erhält, sondern nur den regulären Freibetrag für Enkelkinder in Höhe von 200.000 EUR gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG.
Hintergrund:
Nach deutschem Erbschaftsteuerrecht steht Kindern eines Erblassers ein Freibetrag von 400.000 EUR zu, während Enkel nur einen Freibetrag von 200.000 EUR erhalten.
Wenn ein Kind auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet, wird es gemäß § 2346 Abs. 1 BGB zivilrechtlich so behandelt, als sei es zum Zeitpunkt des Erbfalls verstorben, was auch eine Vorversterbensfiktion beinhaltet.
Sachverhalt:
Im konkreten Fall hatte der Vater des Klägers 2013 gegenüber seinem Vater (dem Erblasser) auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Der Kläger, das Enkelkind des Erblassers, wurde nach dem Tod des Großvaters testamentarisch als Erbe eingesetzt und beantragte in seiner Erbschaftsteuererklärung, den höheren Freibetrag von 400.000 EUR gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, weil er sich aufgrund der zivilrechtlichen Vorversterbensfiktion seines Vaters als „Kind eines verstorbenen Kindes“ ansah.
Entscheidung des BFH:
Der BFH wies diesen Antrag ab und bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts, dass dem Kläger lediglich der Freibetrag von 200.000 EUR gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG als Enkelkind des Erblassers zusteht. Der BFH erklärte, dass der zivilrechtliche Erbverzicht des Vaters nicht dazu führe, dass der Vater als „verstorben" im erbschaftsteuerrechtlichen Sinne gilt.
Der Wortlaut der Norm (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) beziehe sich ausschließlich auf tatsächlich verstorbene Kinder und nicht auf solche, die aufgrund einer gesetzlichen Fiktion als verstorben gelten.
Der BFH stellte außerdem fest, dass eine analoge Anwendung der Regelung für „verstorbene Kinder“ auf die Fiktion des Vorversterbens zu einer unzulässigen Steuerumgehung führen könnte, bei der sowohl das Kind des Erblassers als auch das Enkelkind den höheren Freibetrag in Anspruch nehmen könnten. Dies würde die Staffelung der Freibeträge untergraben.
Ergebnis:
Der Kläger erhielt nur den Freibetrag für Enkelkinder von 200.000 EUR, nicht den höheren Freibetrag für „Kinder verstorbener Kinder“.